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deutsches Sprachgebiet, deutscher Sprachraum, Wortverbindung, geografischer Name (Toponym), Sprachwissenschaft, Narrativ. Oberbegriff des durch die deutsche Kultur- und Hochsprache geprägten Raums, der Forschungsgegenstand der Germanistik und der vergleichenden Sprachwissenschaft ist. Vielfach mit dem deutschen Kulturraum zusammenfasst. (→ Deutscher Sprach- und Kulturraum)

Es umfasst den Raum, der hauptsächlich durch Deutsche, deren Sprache und Kultur geprägt wurde. In diesem Raum befindet sich das Territorium der deutschsprachigen Länder. Darüber hinaus gelten auch deutschsprachige Siedlungsinseln im fremdsprachigen Gebieten als deutsches Sprachgebiet, sofern die dortige Bevölkerung die deutsche Kultursprache oder einen Dialekt des Deutschen zur Muttersprache haben.

In der Vergangenheit wurde ihm auch das niederländische Sprachgebiet zugerechnet, da man dieses als verselbstständigten Zweig des Deutschen ansah. Die Zugehörigkeit des friesischen Sprachgebietes zum deutschen Sprachgebiet war und ist umstritten, da es sich beim Friesischen nicht um einen deutschen Dialekt, sondern um eine eigenständige westgermanische Sprache handelt.

Seinen Anfang nahm das deutsche Sprachgebiet in jenem Raum, der sich im 10. Jahrhundert im regnum Germaniae „Königreich Germanien“ politisch organisiert hatte und der im Osten durch die Elbe-Saale-Linie vom slawischen Sprachgebiet getrennt wurde.

Sprachlich gliederte es sich in zwei große Sprachräume, die zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert entstanden: dem oberdeutschen und dem niederdeutschen Sprachgebiet. Bis ins 15./16. Jahrhundert entstand zudem innerhalb des deutschen Sprachgebietes noch ein dritter Sprachraum, der ein Bindeglied zwischen Ober- und Niederdeutsch darstellt, das mitteldeutsche Sprachgebiet. Seit dem 15. Jahrhundert gilt allgemein die Benrather Linie (maken/machen) als nördliche Grenzlinie des Mitteldeutschen gegenüber dem Niederdeutschen. Im Süden wird Mitteldeutsch durch die Speyrer Linie (appel/apfel) vom Oberdeutschen abgegrenzt. Als obsolet hingegen gilt die Begrenzung des Mitteldeutschen mittels der Uerdinger Linie (ik/ich) im Norden und der Germersheimer Linie (pund/pfund) im Süden.

Im Zuge der Deutschen Ostsiedlung dehnte sich das geschlossene deutsche Sprachgebiet weit nach Osten aus, infolge von Flucht und Vertreibung verkleinerte es sich.

Kennzeichen[]

Das deutsche Sprachgebiet stellt eine Staffellandschaft dar, in der die ihr zugeordneten Dialekte untereinander ein einem engen Dialektkontinuum verbunden sind, welches auch in die niederländischen Dialekte hineingreift.

Synonyme[]

Wo deutsches Volk siedelt, ist deutscher Volksboden, da hört man deutsche Sprache und sieht man deutsche Arbeit. Auf ersteres ist bislang das größte Gewicht gelegt worden. Man hat das deutsche Sprachgebiet mit dem deutschen Volksboden gleichgestellt […] —   Penck, Albrecht: Deutscher Volks- und Kulturboden, in: „Volk unter Völkern“, S. 62–73.

Etymologie[]

deutsches Sprachgebiet ist eine Wortverbindung, die sich aus dem Adjektiv deutsch und dem Substantiv Sprachgebiet sowie aus dem Ableitungsmorphem -es zusammensetzt.

Verhältnis zum niederländischen und niederdeutschen Sprachraum[]

Das Verhältnis des deutschen Sprachraumes zum benachbarten niederländischen war bis Mitte des 20. Jahrhunderts zwiespältig. Zwar erkannte die Germanistik die Eigenständigkeit des Niederländischen an, ordnete jedoch dessen Dialekte stets dem deutschen Dialektraum zu. Dieses begründete die Germanistik, dass diese Vorgehensweise aus traditionellen Gründen geschah, verstanden doch die Väter dieser Wissenschaft unter dem Attribut „deutsch“ schlicht Kontinentalwestgermanisch.

Erst 1962 setzte sich die Auffassung durch, dass deutsche Dialekte jene westgermanischen Sprachen seien, die unter der deutschen Kultursprache vereint seien. Dem gegenüber stünden ihnen verwandte Sprachen, die der niederländischen Kultursprache zugeordnet und deswegen niederländische Dialekte seien. Die pauschale Zuordnung der niederländischen Dialekte zum deutschen Sprachraum findet sich seit dem nur noch in der halbwissenschaftlichen Sekundärliteratur wieder.

Das niederdeutsche Sprachgebiet stellte einst ein eigenes westgermanisches Sprachgebiet dar, das vor allem eng mit dem friesischen und dem niederländischen Sprachraum verbunden war. Im 16./17. Jahrhundert jedoch wurde das Mittelniederdeutsche zugunsten des Neuhochdeutschen aufgegeben und es fand bei den Sprechern des Niederdeutschen eine sogenannte Scheindialektalisierung statt: Die Niederdeutschen empfanden ihre germanische Sprache als Dialekte der deutschen Gemeinsprache.

Gliederung, Abgrenzung[]

Das deutsche Sprachgebiet weist seit 1500 eine traditionelle Dreiteilung auf, die sich von Süden nach Norden erstreckt und deren Gliederung eine Folge der II. Lautverschiebung (LV) darstellt:

  1. Oberdeutsches Sprachgebiet, südliches deutsches Sprachgebiet (Oberdeutschland), von den Alpen bis an den Südrand der Mittelgebirgsschwelle. In diesem Bereich hatte sich in den Dialekten die II. LV gänzlich durchgesetzt.
  2. Mitteldeutsches Sprachgebiet, mittleres deutsches Sprachgebiet (Mitteldeutschland), im Raum der Mittelgebirge bis an die südlichen Ausläufer der Norddeutschen Tiefebene. Hier setzte sich die II. Lautverschiebung nur in unterschiedlichen Maßen durch, sodass ihre Dialekte – je nördlicher sie kamen – immer niederdeutscher wurden.
  3. Niederdeutsches Sprachgebiet, das nördliche deutsche Sprachgebiet (Niederdeutschland), welches das ganze Niederdeutsche Tiefland ausfüllt und dialektal auf gemeingermanischen Stand verblieb.

Die Germanistik und die Nederlandistik sehen traditionell in Isoglossen und Isoglossenbündel die Abgrenzung eng verwandter Sprachen und Dialekte. Als Abgrenzung zwischen dem Ober- und dem Mitteldeutschen wird die Speyrer Linie herangezogen, die in Teilbereichen mit der Karlsruher Linie konkurriert. Als Abgrenzung zwischen dem Mittel- und dem Niederdeutschen wird die Benrather Linie herangezogen, die jedoch in Teilen mit der etwas weiter nördlich befindlichen Uerdinger Linie konkurriert. Allgemein gelten jedoch die Speyrer und die Benrather Linie als Abgrenzung zwischen den Dialektgebieten.

Die nicht zum Rheinischen Fächer gehörende Westfälische Linie, die das rheinische Niederfränkisch vom Westfälischen scheidet, trennt jene niederdeutschen Dialekte, die sich vom Altniederfränkische und zum anderen vom Altsächsische ableiten lassen.

Das Niederfränkische am Niederrhein stellt innerhalb der deutschsprachigen und der niederländischsprachigen Dialektologie einen Sonderfall dar, der bis dato nur wenig erforscht wurde bzw. wird: Aus der Sicht der Germanistik stellt es aufgrund seiner sprachlichen Abstammung einen niederländischen und aus Sicht der Nederlandistik aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit zu Deutschland einen deutschen Dialekt dar. Doch weist letztere Wissenschaft dem Niederrheinischen bzw. dem Niederfränkischen den Status eines nicht standardisierten Niederländisch zu.

Fläche, Sprecher, Einwohner[]

911–1500[]

Das deutsche Sprachgebiet entwickelte sich seit dem Mittelalter aus den im regnum Germaniae gesprochenen kontinentalwestgermanischen Stammessprachen, die sich ab 1000 immer mehr als „deutsch“ begriffen. Damals bestand das damalige deutsche Sprachgebiet aus den Sprachgebieten des Altfränkischen, des Altsächsischen, des Altalemannischen und des Altbairischen. Im weitesten Sinne wurde auch das Gebiet des Altfriesischen darunter begriffen, gleichwohl dieses nicht wesentlich zur Bildung des späteren Deutschen beitrug. Inwiefern das Sprachgebiet des Langobardischen zum deutschen Sprachgebiet zu zählen ist, gilt wissenschaftlich als umstritten.

Bis 1500 waren die Germanen des nunmehrigen Römisch-Deutschen Reiches unter Assimilation nichtdeutscher Gruppen wie Dänen, Friesen und Slawen sowie zahlreicher Reichsromanen zum deutschen Volk zusammengewachsen. Infolge von Reformation (1525) und Aufklärung (ab 1770) bildete sich dieses sprachlich-kulturelle Ethnokonstrukt erst zur Sprachnation, dann zur Kulturnation aus.

Zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert stimmte das deutsche Sprachgebiet im Osten im Wesentlichen mit der Siedlungsgrenze zwischen Slawen und Germanen („Deutsche“) überein und folgte der Elbe–Saale–Böhmerwald–Adria-Linie. Es umfasste 962 etwa 780 000 km² mit rund vier Millionen[1] Einwohnern.

Im Zuge der deutschen Ostsiedlung, die zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert erfolgte und der im 18. und 19. Jahrhundert noch weitere Siedlungsbewegungen folgen sollten, breitete sich das deutsche Sprachgebiet im Osten um etwa 200 km, im Nordosten um etwa 800 km und nach Südosten um weitere 200 km aus.[2]

1181 umfasste der damalige deutsche Sprachraum etwa 940 000 km² mit etwa 12 Mio. Einwohnern[1]. Bis 1300 wuchs die deutsche Bevölkerung auf 16 Mio. Menschen an.[3]

1500–1945[]

Lange Zeit waren die ostelbischen Gebiete durch sprachliche Gemengelage geprägt und bis 1500 hatte sich das geschlossene deutsche Sprachgebiet auf eine Linie zurückgezogen, die bis auf kleinere Ostbewegungen in späterer Zeit ausgenommen, sich nicht mehr verändern sollte. Es umfasste 1618 etwa 680 000 km² mit etwa 16 Mio. Einwohner. In weiten Teilen Böhmen-Mährens, Schlesiens und Ostpreußens, aber auch Pommerns und Westpreußens war es noch Jahrhunderte zweisprachig.

Während sich das deutsche Sprachgebiet im Nordosten, Osten und Südosten ausdehnte, nahm es im Westen stetig ab: Eine relativ geschlossene germanisch-deutsche Bevölkerung, die zu den (nieder)fränkischen Stämmen zählte, lebte im Westfränkischen Reich, wo ihre Sprachgrenze bis zur Somme und dem Quellgebiet der Maas reichte. Darüber hinaus siedelten Franken in Gemengelage mit Romanen in den Regionen zwischen Somme und Garonne. Hier waren die Germanen zu schwach, um sich gegenüber der galloromanischen Bevölkerung sprachlich durchzusetzen; sie wurden bis zum 8. Jahrhundert romanisiert. Ein Schicksal, das mit ihnen auch die Burgunder, Langobarden, Sueben, West- und Ostgoten im späteren Frankreich, Spanien und Italien teilen sollten.

Zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert hatte sich zwischen Germanen (Franken) und Romanen eine Grenze herausgebildet, die im Wesentlichen der heutigen französisch-niederländischen und der deutsch-französischen Sprachgrenze entsprach. Während die Sprachgrenze seit dem in Belgien als stabil gilt, wich die deutsche Sprachgrenze nach 1945 bis zur Rheinlinie zurück.

Zur Zeit des 30-jährigen Krieges (1618–1648) waren die heute französischsprachigen Städte Calais [Kalen] und Dünkirchen (Dunkerque) noch duytschtaalig „deutschsprachig“, wenn man „duytsch“ mit Kontinentalwestgermanisch gleichsetzt.

Die Südgrenze des deutschen Sprachgebietes verlief durch das Gebiet der (heute) deutschsprachigen Zentralschweiz und hatte ihren südlichsten Punkt an der Salurner Klause. Letztere stellte einst die Stammesgrenze zwischen den Baiern und den Langobarden dar.

Bis Ende des II. Weltkrieges (1939–1945) wies das deutsche Sprachgebiet eine Fläche zwischen 650 000 und 700 000 km² auf, in denen etwa 95 Mio. Menschen lebten. Die Diskrepanzen erklärten sich dadurch, was in den Augen der Sprachermittler noch „deutsch“ war und was nicht. Bei den meisten wurde nicht nur das niederländisch-friesische Sprachgebiet in das deutsche Sprachgebiet hineingerechnet, sondern auch weite Teile zweisprachigen Gebietes im Südosten (Krain) und ganz Westungarn. Diese Maximalausdehnung deutschen Sprachgebietes wurden vor allem durch die Alldeutschen und Deutschvölkischen vertreten, denen „Deutschland“ nicht groß genug sein konnte.

Der alldeutsche Geologe und Geograf Penck (1858–1945) ermittelte seinerzeit für das geschlossene deutsche Sprachgebiet eine Flächenausdehnung von 606 000 km².[4]

Sein Schüler Krebs (1878–1947) berief sich bei seinen Forschungen auf ihn und ermittelte für den gesamten deutschen Sprachraum ein Flächenmaß von 652 000 km², indem er schlicht das niederländische Sprachgebiet als „niederdeutsches Sprachgebiet in Holland und Belgien“ einbezog.[5]

Der sudetendeutsche Nationalsozialist Jung (1882–1945) definierte in seiner 1922 erschienenen Schrift Der nationale Sozialismus, dass das deutsche Sprachgebiet 686 090 km² umfasse.[6] Derweil erschien auf den Karten des Österreichisch-Deutschen Volksbundes eine Flächenangabe von exakt 672 780 km², die als deutsches Sprachgebiet ausgewiesen wurde.[7]

Zur Zeit des III. Reiches (1933–1945) wurde bis 1942/43 der überwiegende Teil des deutschen Sprachgebietes im sogenannten Großdeutschen Reich staatlich zusammengeschlossen, dass auf seinem Zenit 674 131 km² umfasste. Lediglich die Deutschschweiz, Liechtenstein und das Walsergebiet im italienischen Aostatal gehörten diesem Staatskonstrukt nicht an.[6]

1945–heute[]

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 ging das deutsche Sprachgebiet (inklusive der noch zahlreich bestehenden deutschen Sprachinseln) aufgrund von Flucht und Vertreibung bis auf Höhe der Oder-Neiße-Linie verloren. Aber auch die deutschen Siedlungsgebiete im Böhmisch-Mährischen Kessel (Deutschböhmen, Deutschmähren) galten als verloren. Insgesamt wurde das deutsche Sprachgebiet um eine Fläche von rund 142 000 km² nach Westen verschoben und entsprach nun in etwa der Siedlungsgrenze zwischen Slawen und Germanen von 962 (Oder-Bober-Linie).

1973 veröffentlichte der Germanist Hutterer (1930–1997) in seinem Standardwerk Die germanischen Sprachen (Kapitel IV.4.61 Deutsch, S. 303) seine Auffassung über die Ausdehnung des deutschen Sprachgebietes nach 1945: Nach ihm umfasse dieses das Gebiet der deutschsprachigen Länder und angrenzender Gebiete und mache zwischen 470–475 000 km² mit rund 93 bis 95 Mio. Sprecher.

Heute wird davon ausgegangen, dass das deutsche Sprachgebiet etwa 473 562 km² mit rund 93,6 Mio. Menschen umfasst, die sich auf Deutschland, Österreich und Liechtenstein verteilen. Darüber hinaus wird Deutsch noch in großen Teilen der Schweiz („deutsche Schweiz“), in Italien (Südtirol) und in Teilen Dänemarks (Nordschleswig) gesprochen. Mit Einbezug Luxemburgs und Elsass-Lothringens, die sich heute eher frankophil betrachten und sich mehrheitlich des Französischen bedienen, vergrößert sich das deutsche Sprachgebiet auf rund 490 760 km² mit etwa 96 Mio. Einwohner.

Siehe auch[]

Fußnoten[]

  1. 1,0 1,1 Mirow, Jürgen: Geschichte des Deutschen Volkes, S. 62–63.
  2. Hendlmeier, Wolfgang in: Nabert, Heinrich: Die Verbreitung der Deutschen in Europa 1844–1888, S. 8.
  3. Mirow, Jürgen: Geschichte des Deutschen Volkes, S. 163.
  4. Penck, Albrecht: Deutscher Volks- und Kulturboden, in: „Volk unter Völkern“, S. 62–73.
  5. Krebs, Norbert: Die geographischen Grundlagen des deutschen Volksbodens samt den benachbarten Sprachinseln, S. 25, zitiert nach Pencks „Deutscher Volks- und Kulturboden“.
  6. 6,0 6,1 Jung, Rudolf: Der nationale Sozialismus, S. 12.
  7. Österreichisch-Deutscher Volksbund, Flugblatt „Das ganze Deutschland soll es sein!“, Juli 1925.
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